Der 1969 in Göttingen geborene Thorsten Heise ist seit Jahrzehnten eine zentraler Akteur der organisierten militanten Neonaziszene. So war er bereits vor der Wende in der extrem rechten „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) aktiv. Die Partei avancierte Ende der Achtziger Jahre „innerhalb kurzer Zeit zur wichtigsten neonazistischen Aufbauorganisation und Propagandaplattform in der Bundesrepublik“ und wurde 1995 vom Bundesinnenministerium unter der Begründung, dass es sich um keine mit dem Grundgesetz vereinbare Partei handelt, verboten. Weitere Verbote wie beispielsweise das von „Wikinig-Jugend“ und „Nationaler Liste“ führten zu einem Zulauf in die freie Kameradschaftsszene. Auch Thorsten Heise warb zu jener Zeit aktiv für den Aufbau von „neuen Organisationsformen“ und baute die Kameradschaft Northeim auf. Als Herausgeber der neonazistischen Zeitschrift „Volk in Bewegung“, vormals „Der Reichsbote“, agiert Heise am Rande der Legalität: Das Blatt propagiert eine geschlossene neonazistische Weltanschauung.
In den neunziger Jahren wurde Heise zudem zu einem Dreh- und Angelpunkt der bundesdeutschen neonazistischen Vertriebs- und Musikszene. Diese wurde bis zu ihrem Verbot 2000 im wesentlich durch das internationale Nazinetzwerk „Blood and Honour“ dominiert. „Blood and Honour“, zu deutsch „Blut und Ehre“ ist ein vom NSDAP-Ideologen Alfred E. Rosenberg geprägter, mittlerweile indizierter, Ausspruch, welcher vor allem in der Hitler-Jugend als Leitspruch fungierte. Ian John Stuart gründete „Blood and Honour“ in Großbritannien mit dem Ziel, über Musik neonazistische Ideologie möglichst weit zu verbreiten und die entsprechende Bands zu vernetzen.
Es ist kein Zufall, dass auch in Heises eigenen Versandhandel, dem WB-Versand, bis heute neben Ian Stuarts Band Skrewdriver, zahlreiche weitere „Blood and Honour“-Bands vertreten sind, darunter etwa Noie Werte, Oidoxie oder auch Nahkampf. Einige der Bands werden auch im Rahmen des „Schild und Schwert“-Festivals auftreten und entsprechendes Publikum anziehen. Die Festivalwerbung und der Ticketverkauf laufen dabei über den WB-Versand. Seine Kontakte zu den immer noch bestehenden Strukturen des internationalen „Blood and Honour“-Netzwerkes bewies er, als er im Juni 2016 mit britischen „Combat 18“-Aktivisten auf einer Demonstration in Dortmund zu sehen war. „Combat 18“ oder auch „C18“ gilt als der bewaffnete Arm von „Blood and Honour“. Dies ist eine Gruppe von vorrangig Männern, welche den bewaffneten, terroristischen Kampf gegen das verhasste System proben.
In seiner Rolle als NPD-Funktionär, gilt Thorsten Heise als Bindeglied zwischen der oftmals zerstrittenen freien Kameradschaftsszene und der Parteiebene. Er war so maßgeblich an der Vorbereitung der Erfolge der NPD in Landtagswahlen um 2005 bis 2009 beteiligt und arbeitete dabei eng mit anderen alten Kadern, wie z.B. Christian Worch und Thomas „Steiner“ Wulff zusammen. Heise trat 2004 in die NPD ein und ist aktuell Landesvorsitzender der Thüringer NPD. Für die Partei ist er in vielerlei Hinsicht aktiv. Er organisiert Veranstaltungen, tritt als Anmelder und Redner bei Demonstrationen auf und treibt eine überregionale und europaweite Vernetzung voran. Zu letzt trat er in Dresden am Gedenktag der Bombardierung durch alliierte Streitkräfte öffentlich auf. Darüber hinaus hat er in seinem Anwesen in Fretterode einen Anlaufpunkt für die Szene geschaffen. Auf seinem Grundstück befindet sich zudem ein Denkmal für die Waffen-SS.
Im Zuge der Ermittlungen zum „Nationalsozialistischen Untergrund“ geriet auch Thorsten Heise in das Blickfeld der Ermittler. Bei einer Razzia auf seinem Anwesen in Fretterrode wurde eine Tonaufzeichnung gefunden, welche ein Gespräch zwischen Heise und dem damaligen Anführer des Thüringer Heimatschutzes und V-Mann Tino Brandt beinhaltete. Darin sollen auch die Namen der drei Nazis Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe gefallen sein. Bei den Ermittlungsbehörden landete er deshalb auf der Liste von Personen „mit nachgewiesenen Kontakten zu Tätern oder Beschuldigten“.
Thorsten Heise ist mehrfach einschlägig vorbestraft. Darunter Verurteilungen wegen schwerer Körperverletzung, Landfriedensbruch, Nötigung, Volksverhetzung sowie des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Zu letzt wurde Heise im Jahr 2008 wegen Volksverhetzung zu einer Bewährungsstrafe zu 200 Sozialstunden sowie einer Geldstrafe in Höhe von 15.000 Euro verurteilt. Der Richter nannte ihn im Prozess „unbelehrbar“. Hintergrund des Prozesses war der Fund von mehreren tausend CDs der Rechtsrockband „Kommando Freisler“ sowie Nachdrucke der indizieren CDs „Northeim Live Vol.1 und 2“ auf seinem Grundstück in Fretterrode, die „zu Hass gegen bestimmte Volksgruppen“ aufstacheln. Ebenfalls bei der Hausdurchsuchung wurde eine Maschinenpistole, ein Maschinengewehr und eine Pistole mit Munition gefunden.
- „Tausendsassa“ im braunen Netz: Der Neonazi Thorsten Heise – Eine Info-Schrift von Kai Budler
- „Nach den rechten Häusern sehen“ – Fretterode – Endstation Rechts
- Werwolf, Waffen, Werthebach: Wer ist die Anti-Antifa? – AIB 50 / 1.2000